Mit 50 Jahren sieht sich Frau Meier (Name geändert) vor einer Herausforderung, die sie nie erwartet hätte: Ihre 19-jährige Tochter, Lisa, scheint so wenig Eigeninitiative zu zeigen, dass selbst grundlegende Aufgaben wie das Ausfüllen eines Sozialhilfeantrags für sie unüberwindbare Hürden darstellen.
„Es ist frustrierend“, erzählt Frau Meier in einem Interview. „Als Lisa die Schule abgeschlossen hat, dachte ich, sie würde bald ihren Weg finden, sich vielleicht um eine Ausbildung oder einen Job bemühen. Aber stattdessen liegt sie den ganzen Tag auf der Couch, schaut Serien und hängt am Handy.“ Für Frau Meier ist die Situation zunehmend belastend, da sie selbst einen Vollzeitjob hat und zusätzlich die Verantwortung für das gemeinsame Leben und die Finanzen der Familie trägt.
Faulheit oder Überforderung?
Für Frau Meier scheint das Verhalten ihrer Tochter primär aus Faulheit zu resultieren. „Ich habe Lisa gesagt, sie solle sich um ihre Finanzen kümmern und wenigstens einen Sozialhilfeantrag ausfüllen, solange sie noch keine Arbeit gefunden hat. Aber sie hat nicht mal das geschafft“, berichtet die Mutter. Stattdessen müsse sie Lisa immer wieder erinnern und drängen. „Ich habe ihr die Unterlagen hingelegt und erklärt, wie sie sie ausfüllen muss. Alles, was sie tun muss, ist, die paar Seiten durchzugehen und ihre Daten einzutragen, aber selbst das kriegt sie nicht hin!“
Doch hinter der vermeintlichen Faulheit könnten auch andere Faktoren stecken. Junge Erwachsene stehen heute oft unter einem enormen Druck – von der Erwartung, beruflich schnell Fuß zu fassen, über gesellschaftlichen Stress bis hin zu Unsicherheiten, die durch die Pandemie verstärkt wurden. Lisa könnte sich überfordert fühlen und Schwierigkeiten haben, den Übergang von der Schulzeit in die Arbeitswelt zu bewältigen.
„Ich weiß nicht, ob sie einfach nur faul ist oder ob sie wirklich nicht weiß, wie sie anfangen soll“, gibt Frau Meier zu. „Aber ich kann sie nicht ewig an die Hand nehmen. Irgendwann muss sie selbstständig werden.“
Der Generationenkonflikt
Frau Meier ist mit der Überzeugung aufgewachsen, dass Eigenverantwortung und Fleiß der Schlüssel zu einem erfolgreichen Leben sind. „Ich habe schon mit 16 angefangen zu arbeiten und mein eigenes Geld verdient“, sagt sie. „Ich verstehe einfach nicht, warum Lisa so wenig Motivation zeigt. Es tut weh zu sehen, wie sie sich selbst im Weg steht.“
Der Konflikt zwischen den Generationen ist hierbei kein Einzelfall. Viele Eltern der Generation „Babyboomer“ oder „Generation X“ haben oft ein anderes Verständnis von Arbeitsethik und Eigenverantwortung als ihre Kinder aus der Generation Z. Während früher der Einstieg ins Berufsleben früh erfolgte, stehen junge Menschen heute vor neuen Herausforderungen: steigende Mieten, unsichere Arbeitsmärkte und der Druck, immer höhere Qualifikationen zu erwerben, haben das Erwachsenwerden verändert.
Dennoch hat Frau Meier wenig Verständnis dafür, dass ihre Tochter nicht einmal den ersten Schritt machen will. „Ich kann sie nicht ewig unterstützen. Irgendwann muss sie Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen.“
Wege aus der Sackgasse
Die Frage, wie Lisa aus ihrer aktuellen Passivität herausfinden kann, bleibt offen. Frau Meier hat bereits mit Freunden und Verwandten über die Situation gesprochen, aber bisher ohne Erfolg. „Alle sagen mir, ich solle sie einfach mal machen lassen, aber wenn ich das tue, passiert auch nichts.“
Psychologen raten Eltern in solchen Situationen oft zu einem Mittelweg aus Geduld und klaren Erwartungen. Manchmal kann ein Gespräch mit einem Berufsberater oder sogar ein therapeutisches Angebot helfen, den jungen Menschen aus einer vermeintlichen Lethargie zu holen und ihm zu zeigen, wie er kleine, machbare Schritte in Richtung Eigenständigkeit machen kann.
„Ich hoffe, dass Lisa bald einen Weg findet, aus diesem Teufelskreis herauszukommen“, sagt Frau Meier am Ende des Gesprächs. „Aber ich weiß, dass ich sie nicht ewig beschützen kann. Sie muss lernen, Verantwortung zu übernehmen – und zwar bald.“
Ein gesellschaftliches Problem?
Dieser Fall ist kein Einzelfall. Immer mehr Eltern berichten von ähnlichen Herausforderungen mit ihren heranwachsenden Kindern. Es wirft die Frage auf, ob es sich dabei um ein persönliches Problem handelt oder ob es tiefere gesellschaftliche Ursachen gibt. Die Zukunft wird zeigen, ob junge Menschen die nötigen Fähigkeiten und den Willen entwickeln, um in einer immer komplexer werdenden Welt ihren Weg zu finden.
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