In einer globalisierten Welt, in der Menschen aus verschiedenen Kulturen aufeinandertreffen, kann der Umgang mit alltäglichen Dingen wie Essen oft unerwartete Spannungen oder Missverständnisse hervorrufen. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Linh, einer jungen Asiatin, die seit einigen Jahren in Deutschland lebt und dabei mit kulturellen Unterschieden im Umgang mit Lebensmitteln konfrontiert wird – insbesondere mit dem Thema Essensreste.

Die Bedeutung von Essen in Asien

In vielen asiatischen Kulturen spielt Essen eine zentrale Rolle im täglichen Leben und im sozialen Miteinander. Es wird oft in großen Mengen zubereitet, um sicherzustellen, dass für alle genügend vorhanden ist. Traditionell wird Essen als etwas Wertvolles betrachtet, und das Wegwerfen von Nahrungsmitteln gilt als respektlos. Doch in einer sich verändernden Welt, besonders in großen asiatischen Städten, wo das Leben immer hektischer wird, hat sich auch das Verhältnis zu Lebensmitteln gewandelt. Essen wird zunehmend als Konsumgut betrachtet, und in einigen wohlhabenderen Haushalten wird der sorgsame Umgang mit Lebensmitteln in den Hintergrund gedrängt.

Linh, die aus einer wohlhabenden Familie in Vietnam stammt, wurde in einer solchen Umgebung groß. Für ihre Eltern war es wichtig, dass immer genügend Essen vorhanden war, sodass sie es gewohnt war, Überbleibsel einfach zu entsorgen, wenn sie der Meinung war, dass sie nicht mehr frisch genug waren. Lebensmittelverschwendung wurde selten hinterfragt – es war einfach eine Frage des Komforts.

Das deutsche Verhältnis zu Lebensmitteln

Deutschland hingegen hat eine lange Tradition im sparsamen Umgang mit Lebensmitteln. Historisch bedingt, insbesondere durch die schweren Zeiten während und nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde der Wert von Nahrung in den meisten Familien sehr hoch geschätzt. Auch heute noch legen viele Menschen großen Wert darauf, Lebensmittelreste weiter zu verwerten, sei es durch kreative Resteküche oder durch das Einfrieren von Speisen. In den letzten Jahren hat das Thema Lebensmittelverschwendung zusätzlich eine größere Aufmerksamkeit erlangt, nicht zuletzt durch Initiativen wie die „Tafel“, die übriggebliebene Lebensmittel sammelt und verteilt.

Linh bemerkte schnell, dass ihre deutschen Freunde überrascht oder sogar irritiert reagierten, wenn sie Essensreste entsorgte, die aus ihrer Sicht nicht mehr „gut genug“ waren. Sie stellte fest, dass der Gedanke, Lebensmittel wegzuwerfen, hierzulande auf viele Menschen unverständlich wirkte.

Der innere Konflikt

Für Linh entstand ein innerer Konflikt. Auf der einen Seite war da ihre asiatische Sozialisation, die sie gelehrt hatte, dass es in Ordnung sei, Reste wegzuwerfen, wenn sie nicht mehr optimal erscheinen. Ihre Eltern und viele Menschen in ihrem Umfeld hatten ihr vermittelt, dass es besser sei, frische und neue Speisen zuzubereiten, anstatt Reste aufzubewahren. Auf der anderen Seite spürte sie die wachsende Kritik und das Unverständnis ihrer deutschen Freunde, die mit einem anderen kulturellen Hintergrund groß geworden waren und es als Verschwendung ansahen, noch essbare Lebensmittel wegzuwerfen.

Linh fing an, über ihren Umgang mit Essen nachzudenken und fragte sich, ob ihre Gewohnheit, Reste zu entsorgen, in Deutschland wirklich unangebracht war. War es nicht sinnvoller, aus ökologischen und ethischen Gründen einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln zu pflegen? Sie bemerkte auch, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland im Vergleich zu ihrem Heimatland relativ niedrig waren, was die Versuchung, Essen zu verschwenden, verstärken konnte.

Kultureller Wandel und Anpassung

Im Laufe der Zeit entwickelte Linh ein neues Verständnis für den Wert von Lebensmitteln und die Bedeutung von Nachhaltigkeit. Sie begann, Reste bewusster zu nutzen, kochte sie am nächsten Tag weiter oder lagerte sie sicher, um sie später zu verwenden. Dennoch fiel es ihr schwer, die Gewohnheiten, die sie aus ihrer Heimat mitbrachte, komplett abzulegen. Es war ein langsamer Prozess des Umlernens, der ihr nicht immer leichtfiel.

Dabei ist Linh kein Einzelfall. Viele Menschen, die in einer anderen Kultur aufwachsen und später in ein neues Land ziehen, stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Es erfordert oft Zeit und Geduld, bis man die Unterschiede im Alltagsleben versteht und lernt, wie man sich anpasst, ohne dabei seine eigenen Wurzeln und Gewohnheiten zu verlieren.

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