Jährlich landen Hunderttausende Tonnen Altkleider aus Europa in Afrika, insbesondere in Ghana. Das westafrikanische Land ist ein zentraler Empfänger von Second-Hand-Kleidung, die über den sogenannten „Second-Hand-Kleidermarkt“ in die lokalen Märkte gelangt. Jedes Jahr kommen große Containerschiffe mit Abfallbergen aus Kleidung an, die in den Hafenstädten Ghanas, vor allem in der Hauptstadt Accra, entladen werden. Der Ansturm auf die Altkleider hat die Wirtschaft in Ghana auf eine Art und Weise beeinflusst, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt.
Ein Markt voller Chancen und Arbeitsplätze
Der Second-Hand-Kleidermarkt hat in Ghana eine wichtige wirtschaftliche Rolle übernommen. In Accra und anderen großen Städten sind die Märkte für gebrauchte Kleidung nicht nur ein bedeutender Handelsplatz, sondern haben auch Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen. Händler, Schneider, Sortierer und Reparaturwerkstätten sind nur einige der Berufsgruppen, die durch den boomenden Altkleiderhandel ihren Lebensunterhalt verdienen. Der Markt ist für viele Familien in Ghana eine wichtige Einkommensquelle, da die Preise für Second-Hand-Kleidung in der Regel erschwinglich sind und die Qualität oft noch gut ist.
Die Kleidung aus Europa und Nordamerika wird in Ghana in großen Mengen importiert und dort zu günstigen Preisen verkauft. Besonders für Menschen aus unteren Einkommensschichten ist der Second-Hand-Markt eine Alternative zum Kauf neuer, teurer Kleidung. In einer Region, in der Arbeitslosigkeit und Armut weit verbreitet sind, ist der Handel mit Altkleidern ein Lebensretter. Doch der boomende Markt bringt auch enorme Herausforderungen mit sich.
Der Schatten des Altkleidermarktes
Trotz der wirtschaftlichen Vorteile gibt es auch gravierende negative Folgen des Altkleiderhandels. Die schiere Menge an importierter Kleidung hat dazu geführt, dass riesige Müllberge entstanden sind. Während ein Teil der Kleidung wiederverkauft wird, bleibt ein beträchtlicher Anteil unverkauft und landet auf den Mülldeponien des Landes oder wird illegal verbrannt. Besonders die Küstenregionen sind von dieser Entwicklung betroffen.
Die Strände und Küstenabschnitte von Ghana sind häufig mit Abfall aus der Textilindustrie übersät. Die Überreste unverkaufter Kleidung verstopfen die Umgebung und verschmutzen nicht nur die Umwelt, sondern auch die Lebensgrundlagen der dort ansässigen Menschen, die auf Fischfang angewiesen sind. Besonders schlimm ist, dass viele dieser Altkleider aus synthetischen Materialien bestehen, die sich nur langsam zersetzen und die Umwelt über Jahre hinweg belasten.
Ein weiteres Problem ist die zunehmende Belastung der lokalen Textilproduktion. In den 1960er Jahren war Ghana stolz auf seine florierende Textilindustrie, die nun durch den Ansturm der Altkleidung massiv zurückgedrängt wurde. Lokale Hersteller können mit den billigen Importen aus Europa nicht konkurrieren, und die einst florierende Textilproduktion ist in vielen Regionen des Landes fast vollständig zum Erliegen gekommen. Dies hat langfristig zu einem Verlust von Arbeitsplätzen und einem Verfall der heimischen Industrie geführt.
Der Dilemma zwischen Wirtschaft und Umwelt
Die Dokumentationen über den Altkleidermarkt in Ghana werfen einen kritischen Blick auf das wachsende Problem. In der Hauptstadt Accra sind die Müllberge der Altkleider ein allgegenwärtiges Problem. Auf den Straßen und in den Markthallen, wo die Kleidung verkauft wird, entstehen riesige Ansammlungen von Abfall, der oft illegal entsorgt wird. Besonders dramatisch ist die Tatsache, dass viele der Abfälle giftige Chemikalien enthalten, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Menschen gefährden.
Die Problematik wirft ein Licht auf die Kehrseite des globalen Handels mit Gebrauchtwaren und zeigt, wie ein vermeintlich nützlicher Markt für Kleidung negative Auswirkungen auf die lokale Umwelt und die heimische Wirtschaft haben kann. Trotz der Schaffung von Arbeitsplätzen und günstigen Kleidungsstücken für viele Menschen in Ghana bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit des Marktes und der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, die den Großteil dieser Kleidung exportiert.
Auf der Suche nach Lösungen
Es gibt zunehmend Bestrebungen, den Altkleiderhandel in Ghana nachhaltiger zu gestalten. Einige Organisationen setzen sich dafür ein, die Qualität der Altkleidung zu verbessern, um die Menge an Abfall zu reduzieren und sicherzustellen, dass weniger Kleidung ungenutzt bleibt. Zudem gibt es Initiativen, die darauf abzielen, die lokale Textilproduktion zu stärken und die Menschen zu ermutigen, mehr auf nachhaltige Mode zurückzugreifen.
Die Regierung von Ghana hat begonnen, mit internationalen Partnern zusammenzuarbeiten, um bessere Lösungen für das Problem der Textilmüllentsorgung zu finden. Dazu gehören Programme zur Sammlung und Recycling von Altkleidern sowie zur Förderung von nachhaltigen Produktionsmethoden in der Textilindustrie.
Fazit
Der Altkleidermarkt in Ghana zeigt die Ambivalenz eines globalisierten Wirtschaftssystems. Er hat zweifellos viele Vorteile in Bezug auf Arbeitsplätze und den Zugang zu günstiger Kleidung gebracht, aber die negativen Folgen – von der Umweltverschmutzung bis zum Niedergang der lokalen Textilindustrie – können nicht ignoriert werden.
Der Schlüssel liegt darin, Wege zu finden, wie der Markt nachhaltig gestaltet werden kann, ohne dass Ghana zur Mülldeponie für Altkleidung wird. Eine Zusammenarbeit zwischen der internationalen Gemeinschaft, den lokalen Behörden und den betroffenen Sektoren könnte helfen, eine Balance zwischen Wirtschaft und Umwelt zu finden.
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