Ein Supermarkt in einer kleinen deutschen Stadt, irgendwo zwischen den Regalreihen, sortiert ein Mann konzentriert Joghurtbecher in die Kühltheke. Auf seinem Namensschild steht "Herr Meier", doch viele Kunden kennen ihn längst persönlich. Der 65-jährige Rentner ist einer von vielen, die trotz des Ruhestands weiterhin arbeiten – nicht aus Langeweile, sondern aus finanzieller Notwendigkeit.
Ein Alltag ohne Pause
„Eigentlich hatte ich mir den Ruhestand anders vorgestellt“, sagt Herr Meier, während er kurz inne hält und sich auf seinen Einkaufswagen stützt. Sein Gesicht zeigt die Spuren eines arbeitsreichen Lebens, seine Augen strahlen jedoch Wärme aus. „Ich dachte, ich könnte die freie Zeit mit meiner Familie verbringen, vielleicht ein bisschen reisen. Aber so wie es aussieht, reicht meine Rente gerade mal für die nötigsten Dinge.“
Herr Meier arbeitete über 40 Jahre als Lagerist in einer mittelständischen Firma. Er war stets fleißig, zahlte in die Rentenkasse ein und ging davon aus, im Alter abgesichert zu sein. Doch mit 1.150 Euro monatlicher Rente ist er weit entfernt von einem sorgenfreien Lebensabend. Nach Abzug von Miete, Nebenkosten und Versicherungen bleiben ihm oft nur wenige hundert Euro zum Leben.
Der Weg zum Minijob
Um seine Rente aufzubessern, begann Herr Meier vor zwei Jahren, als Aushilfe im örtlichen Supermarkt zu arbeiten. Drei Mal die Woche steht er nun für jeweils fünf Stunden im Geschäft, sortiert Waren ein, hilft Kunden und übernimmt gelegentlich Kassenschichten. Dafür erhält er 520 Euro im Monat.
„Ohne den Job würde ich es kaum schaffen“, erzählt er. „Die Preise für Lebensmittel und Energie sind so stark gestiegen, dass ich immer wieder rechnen muss, ob es am Monatsende reicht. Dieser Job gibt mir ein bisschen Luft.“ Doch der Minijob ist auch körperlich fordernd. Das lange Stehen und die körperliche Arbeit hinterlassen ihre Spuren. „Es gibt Tage, da merke ich meinen Rücken oder die Knie deutlich. Aber ich habe keine Wahl.“
Eine traurige Realität
Herr Meiers Geschichte ist kein Einzelfall. Laut einer Studie der Deutschen Rentenversicherung liegt fast jeder fünfte Rentner in Deutschland unter der Armutsgefährdungsschwelle. Besonders betroffen sind dabei Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, Teilzeitkräfte oder Personen, die in Branchen mit niedrigen Löhnen gearbeitet haben.
Die steigenden Lebenshaltungskosten verschärfen das Problem zusätzlich. „Wir sehen immer mehr ältere Menschen, die sich Minijobs suchen“, sagt Sozialberaterin Claudia Bergmann. „Viele von ihnen arbeiten nicht, weil sie es möchten, sondern weil sie müssen. Altersarmut ist in unserer Gesellschaft längst keine Randerscheinung mehr.“
Der Spagat zwischen Stolz und Frustration
Herr Meier betont, dass er dankbar für die Möglichkeit ist, im Supermarkt zu arbeiten. Die Kollegen seien nett, und er schätze den Kontakt zu den Kunden. „Es gibt mir das Gefühl, noch gebraucht zu werden“, sagt er. Doch manchmal mischt sich in seine Dankbarkeit auch Frustration.
„Ich habe mein Leben lang gearbeitet und bin nie auf der faulen Haut gelegen. Und trotzdem reicht es nicht. Das ist schon bitter“, sagt er. Auf die Frage, ob er sich von der Politik mehr Unterstützung wünschen würde, nickt er. „Eine faire Rente sollte doch das Mindeste sein. Ich glaube, wir Alten werden oft vergessen.“
Ein Blick in die Zukunft
Herr Meier möchte so lange arbeiten, wie es seine Gesundheit erlaubt. „Es bleibt einem ja nichts anderes übrig“, sagt er mit einem resignierten Lächeln. Doch er wünscht sich, dass die Gesellschaft und die Politik die Bedürfnisse älterer Menschen stärker berücksichtigen.
„Ich hoffe, dass die jüngeren Generationen es später einmal besser haben“, sagt er abschließend. „Aber dafür muss sich einiges ändern.“
Herr Meiers Geschichte ist ein Appell, sich nicht nur mit dem Leben nach der Rente auseinanderzusetzen, sondern auch über soziale Gerechtigkeit und die Verantwortung der Gesellschaft nachzudenken. Denn ein würdevolles Altern sollte kein Luxus sein, sondern ein Grundrecht.
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