Lisa ist 38 Jahre alt, verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt in einer ruhigen Kleinstadt. Von außen betrachtet führt sie ein Leben, das viele als „perfekt“ beschreiben würden: ein gemütliches Zuhause, eine stabile Ehe, drei gesunde Kinder im Alter von 4, 7 und 11 Jahren. Doch tief in ihrem Inneren trägt Lisa eine Last, die sie kaum noch ertragen kann. Sie ist müde – müde vom Muttersein, müde von der endlosen Verantwortung, müde davon, immer für alle anderen da sein zu müssen.

Der Traum von einer Familie – und die Realität

Lisa hatte sich früher auf das Leben als Mutter gefreut. Als sie mit 27 ihr erstes Kind bekam, war sie voller Energie und idealistischer Vorstellungen. Das Muttersein erschien ihr als die natürlichste und erfüllendste Aufgabe der Welt. Doch mit jedem weiteren Kind wuchs die Belastung. Windeln wechseln, schlaflose Nächte, Wutausbrüche – und dann auch noch der Versuch, im Alltag alles zusammenzuhalten. Sie fühlte sich zunehmend erschöpft. Nach der Geburt ihres dritten Kindes war sie völlig überfordert, auch wenn sie das zunächst nicht zugeben wollte.

„Ich habe das Gefühl, dass ich keine Zeit mehr für mich selbst habe“, sagt Lisa. „Ich bin nicht mehr die Person, die ich einmal war. Alles, was ich tue, dreht sich um die Kinder. Und selbst wenn ich mir mal Zeit nehme, fühle ich mich schuldig, weil ich denke, ich müsste etwas anderes tun.“

Die unsichtbare Arbeit einer Mutter

Lisa spricht offen über das, was viele Mütter erleben, aber nur selten laut sagen. Der Alltag einer Mutter ist voller unsichtbarer Arbeit – Aufgaben, die niemand wirklich wahrnimmt, bis sie nicht erledigt werden. Einkaufen, Essen kochen, Wäsche waschen, Hausaufgaben betreuen, Zahnarzttermine vereinbaren, Streit zwischen Geschwistern schlichten – die Liste ist endlos. Hinzu kommt die emotionale Arbeit, die Lisa oft am meisten auslaugt: Trost spenden, Streitgespräche führen, Ängste nehmen und immer die „starke“ Person sein.

Ihr Mann unterstützt sie, so gut er kann, doch er ist oft durch seinen Vollzeitjob eingespannt. „Er hilft mit, wenn er zuhause ist, aber er versteht nicht, wie anstrengend es ist, den ganzen Tag alles zu jonglieren“, erzählt Lisa. „Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin nur noch eine Maschine.“

Der Verlust der eigenen Identität

Ein Grund für Lisas Erschöpfung ist das Gefühl, ihre eigene Identität verloren zu haben. Sie war früher leidenschaftlich kreativ: Malen und Schreiben waren ihre liebsten Hobbys. Doch dafür hat sie schon lange keine Zeit mehr. Ihre Tage sind strikt durchgetaktet, und selbst wenn sie mal ein paar Minuten Ruhe hat, fehlt ihr die Energie, etwas für sich selbst zu tun.

„Es ist, als ob ich nur noch ‚Mama‘ bin“, sagt sie. „Ich liebe meine Kinder, aber ich wünschte mir manchmal, dass ich wieder einfach nur Lisa sein könnte – eine Frau mit eigenen Interessen und Träumen.“

Das Tabu der müden Mutter

Lisas Gefühle sind nicht ungewöhnlich, doch sie sprechen ein gesellschaftliches Tabu an. Mütter sollen immer stark, liebevoll und aufopfernd sein. Sie sollen alles für ihre Kinder tun und dabei glücklich und erfüllt wirken. Aber was, wenn das Muttersein nicht nur Freude bringt? Was, wenn es einen emotional und körperlich an den Rand der Erschöpfung treibt?

„Es fühlt sich oft so an, als dürfte ich mich nicht beschweren“, sagt Lisa. „Andere Frauen würden alles dafür tun, Mutter zu sein. Und ich habe drei wunderbare Kinder. Aber trotzdem fühle ich mich manchmal gefangen.“

Dieses Tabu macht es Müttern schwer, offen über ihre Gefühle zu sprechen. Sie fürchten, als undankbar oder sogar „schlechte Mütter“ abgestempelt zu werden. Doch die Realität ist, dass viele Frauen ähnliche Gefühle haben. Studien zeigen, dass besonders Mütter in der Rushhour des Lebens – in den 30ern bis 40ern, wenn Kinder noch klein und berufliche Anforderungen hoch sind – oft ausgebrannt sind.

Der Weg zu einem neuen Gleichgewicht

Lisa weiß, dass sie etwas ändern muss, um aus diesem Kreislauf der Erschöpfung auszubrechen. Sie hat angefangen, kleine Schritte in Richtung Selbstfürsorge zu machen. Einmal pro Woche nimmt sie sich bewusst Zeit für sich selbst – ohne Kinder, ohne Haushalt, ohne schlechtes Gewissen. Außerdem hat sie sich mit einer Freundin verabredet, die ähnliche Herausforderungen hat, um sich auszutauschen.

„Es fühlt sich immer noch seltsam an, Dinge nur für mich zu tun“, sagt Lisa. „Aber ich merke, dass ich dann geduldiger und ausgeglichener bin – und das kommt letztlich auch meinen Kindern zugute.“

Auch eine Familienberatung könnte ein nächster Schritt sein, um die Aufgaben und Lasten besser zu verteilen. Sie hofft, dass sie und ihr Mann gemeinsam Wege finden, die Verantwortung gerechter aufzuteilen.

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