In einer Zeit, in der Individualität und Selbstausdruck hoch im Kurs stehen, lassen sich immer mehr Menschen tätowieren, um ihre Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Für viele sind Tätowierungen ein künstlerischer Ausdruck ihrer selbst, eine Möglichkeit, ihre Geschichten auf ihrer Haut zu tragen. Doch was passiert, wenn eine solche Entscheidung das gesamte Leben umkrempelt und berufliche Chancen zunichtemacht? Die Geschichte von Jens Müller, einem 30-jährigen Mann aus Berlin, bietet eine eindringliche Antwort auf diese Frage.

Der Schritt in die Extreme

Jens war schon immer ein Freigeist. Bereits in seiner Jugend faszinierte ihn die Welt der Körperkunst. Während seine Freunde sich für kleine, versteckte Tätowierungen entschieden, ging Jens immer einen Schritt weiter. Mit 18 ließ er sich sein erstes großes Tattoo stechen und fand Gefallen daran, sich durch seine Kunstwerke abzuheben.

Doch vor zwei Jahren entschied er sich für etwas, das weit über das Übliche hinausging: eine Tätowierung seiner Augäpfel. Inspiriert von internationalen Trends und der Sehnsucht nach einem radikalen Ausdruck seiner Persönlichkeit, ließ er sich beide Augen schwarz einfärben.

Die Folgen einer radikalen Entscheidung

Anfangs genoss Jens die Aufmerksamkeit, die seine ungewöhnlichen Tätowierungen auf sich zogen. Er wurde zu einer kleinen Berühmtheit in der Tattoo-Szene und erhielt sogar Angebote für Fotoshootings und Interviews. Doch die anfängliche Euphorie wich schnell der bitteren Realität. Jens bemerkte bald, dass ihn niemand mehr ernst nahm und dass seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt rapide sanken.

„Ich dachte, es wäre ein Zeichen von Stärke und Individualität“, erzählt Jens. „Doch statt Bewunderung ernte ich nun Misstrauen und Vorurteile.“ Jens, der eine Ausbildung zum IT-Spezialisten abgeschlossen hatte und zuvor in einem kleinen Unternehmen gearbeitet hatte, sah sich plötzlich einer Welle von Ablehnungen gegenüber. Trotz seiner Qualifikationen und Erfahrungen wurde er bei Vorstellungsgesprächen immer wieder abgelehnt. „Ich habe das Gefühl, dass die Leute mich nur noch als Freak sehen und nicht mehr als kompetenten Fachmann“, sagt er resigniert.

Die Gesellschaft und ihre Vorurteile

Jens' Geschichte wirft ein Schlaglicht auf tief verwurzelte gesellschaftliche Vorurteile. Während Tattoos in vielen Bereichen zunehmend akzeptiert werden, stoßen extreme Formen der Körpermodifikation nach wie vor auf Ablehnung. Besonders Tätowierungen im Gesicht oder auf den Augäpfeln sind für viele ein Zeichen von Radikalität und Unberechenbarkeit.

Unternehmen, die auf ein seriöses und vertrauenswürdiges Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter achten, zögern, jemanden einzustellen, der sich so stark von der Norm abhebt. „Es geht nicht nur um die Qualifikationen“, erklärt eine Personalmanagerin, die anonym bleiben möchte. „Die Außenwirkung spielt eine große Rolle, und extreme Körpermodifikationen können Kunden abschrecken.“

Ein langer Weg zurück?

Jens bereut seine Entscheidung zutiefst, doch eine Rückkehr scheint schwierig. Augäpfel zu tätowieren ist ein nahezu irreversibler Prozess. Laserbehandlungen, die bei herkömmlichen Tätowierungen helfen können, sind bei Augäpfeln keine Option. „Ich fühle mich gefangen in meinem eigenen Körper“, gesteht Jens. Er hofft, dass sich die Einstellung der Gesellschaft irgendwann ändern wird und dass er trotz seiner Tätowierungen eine faire Chance erhält.

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