Anna, selbst Hausfrau und Mutter von drei Kindern, hat sich bewusst dafür entschieden, ihre Tochter Laura nicht für eine berufliche Karriere vorzubereiten, sondern sie auf das Leben als Hausfrau und Mutter zu fokussieren. Für Anna ist das die "natürliche Bestimmung" einer Frau und sie ist der festen Überzeugung, dass dies der erfüllendste Lebensweg ist.

Anna sagt: „Ich möchte Laura beibringen, wie man ein Zuhause führt, eine Familie versorgt und sich um die Kinder kümmert. Das ist die wichtigste Aufgabe, die eine Frau haben kann.“ Laura, ein schüchternes Mädchen, scheint die Vision ihrer Mutter ohne Widerworte zu akzeptieren. Sie hilft ihrer Mutter im Haushalt, lernt, wie man kocht, putzt und kleinere Reparaturen im Haus erledigt. Doch was auf den ersten Blick wie eine liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung wirkt, wirft einige tiefgreifende Fragen auf.

Chancen der Gegenwart

In einer Zeit, in der die Rechte und Chancen von Frauen wie nie zuvor expandiert sind, stellt sich die Frage: Bereitet Anna ihre Tochter wirklich auf ein selbstbestimmtes Leben vor? Die Erwartung, dass Laura ausschließlich Hausfrau und Mutter wird, könnte sie von einer Vielzahl von Möglichkeiten ausschließen, die heutige Mädchen haben. Vom Streben nach Bildung über die Verfolgung von Leidenschaften bis hin zur Unabhängigkeit durch finanzielle Eigenständigkeit – all das sind Meilensteine, die Laura vielleicht nie erreichen wird, wenn sie den Weg ihrer Mutter bedingungslos verfolgt.

Bildung und Berufschancen sind heute entscheidende Faktoren für die Selbstbestimmung von Frauen. Laut einer Studie der OECD gibt es einen starken Zusammenhang zwischen der Bildung von Frauen und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Unabhängigkeit. In vielen Teilen der Welt wird die Berufstätigkeit von Frauen gefördert, um ein ausgewogenes und gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen. Anna hingegen hält nichts von dieser Entwicklung: „Was bringt es, einen stressigen Job zu haben, wenn man doch sein Glück zu Hause bei der Familie finden kann?“

Feminismus und Wahlfreiheit

Die zentrale Frage, die diese Geschichte aufwirft, ist, was es bedeutet, eine Wahl zu haben. Feminismus setzt sich nicht nur für die Berufstätigkeit von Frauen ein, sondern auch dafür, dass jede Frau die Freiheit hat, ihren eigenen Lebensweg zu wählen. Das könnte die Rolle der Hausfrau sein – oder eben nicht. In Annas Fall jedoch scheint es keine wirkliche Wahl zu geben, da sie ihrer Tochter diese Perspektiven bewusst vorenthält.

Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts zeigt, dass Mädchen, die von klein auf auf eine enge, geschlechtsspezifische Rolle vorbereitet werden, in ihrer späteren Berufswahl oft eingeschränkt sind und es ihnen schwerfällt, alternative Lebensmodelle zu erkennen oder zu verfolgen. Laura wird in ihrem jungen Alter von der Möglichkeit, zu studieren, zu reisen oder einen Beruf auszuüben, praktisch ausgeschlossen.

Die Rolle der Mutter

Annabel, eine Familienpsychologin, erklärt, dass Eltern eine Schlüsselrolle dabei spielen, welche Werte und Vorstellungen ihre Kinder übernehmen. „Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern ermöglichen, verschiedene Optionen zu erkunden und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Ein starres Rollenbild kann die Entwicklung von Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein behindern.“ Annabel betont, dass Kinder dazu ermutigt werden sollten, ihre Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen zu erkunden, um herauszufinden, was sie wirklich erfüllt.

Anna sieht das anders: „Warum sollte ich Laura mit Dingen belasten, die sie später nie brauchen wird? Eine glückliche Familie zu führen ist eine Berufung.“ Sie fügt hinzu, dass es in ihrer Familie Tradition sei, dass die Frauen zu Hause bleiben. Auch ihre Mutter habe sie so erzogen, und Anna empfindet ihren Lebensweg als erfüllend und zufriedenstellend.

Der Blick in die Zukunft

Obwohl Laura aktuell ihrem Leben als zukünftige Hausfrau scheinbar positiv gegenübersteht, bleibt offen, ob sie in den kommenden Jahren weiterhin diese Richtung einschlagen wird oder ob sie sich gegen die Erwartungen ihrer Mutter auflehnen wird. Sobald sie mit anderen Kindern in Kontakt kommt, die ganz andere Lebenswege kennenlernen, könnte sich ihre Sichtweise ändern.

Es gibt jedoch auch eine wachsende Bewegung in der Gesellschaft, die betont, dass Hausfrauen und Mütter eine ebenso wertvolle Rolle spielen wie Frauen in der Arbeitswelt. Dieser Standpunkt, der als "neuer Feminismus" bezeichnet wird, argumentiert, dass es kein richtig oder falsch gibt, solange die Wahl bewusst und selbstbestimmt getroffen wird. Hier liegt der Schlüssel: Wird Laura die Möglichkeit haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen?

Fazit

Die Geschichte von Anna und ihrer Tochter Laura wirft ein Schlaglicht auf die immer noch bestehende Spannbreite der Lebensentwürfe für Frauen in unserer Gesellschaft. In einer Welt, die mehr Wahlmöglichkeiten und Freiheiten bietet als je zuvor, zeigt sie aber auch die Herausforderungen und Gefahren auf, wenn diese Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden. Ob Laura in der Zukunft die gleiche Zufriedenheit wie ihre Mutter finden wird, hängt nicht nur von ihrer familiären Erziehung ab, sondern auch davon, wie sie die Welt um sich herum erlebt und welche Optionen sie letztlich erkunden darf.

Hausfrau zu sein, kann für manche Frauen eine erfüllende Rolle sein – doch sollte dies eine von vielen Möglichkeiten sein und nicht die einzige.

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