Pilar Dieminger hat eine Entscheidung getroffen, die sie sich vor zehn Jahren kaum hätte vorstellen können: Mit 35 Jahren ist sie wieder ins Elternhaus gezogen. Nicht, weil sie es wollte, sondern weil sie musste. In München, wo sie arbeitet und lebt, konnte sie keine bezahlbare Wohnung finden. Die bayerische Landeshauptstadt ist inzwischen als Deutschlands teuerster Wohnungsmarkt bekannt, und Menschen wie Pilar sind die Leidtragenden.
"Ich habe monatelang gesucht, über 50 Besichtigungen mitgemacht, und am Ende war alles entweder unerschwinglich oder sofort vergeben", erzählt Pilar. Ihre Geschichte ist kein Einzelfall. Laut einer Studie des Immobilienportals ImmoScout24 stiegen die durchschnittlichen Mieten in München allein im Jahr 2024 um weitere 6 Prozent. Eine einfache Zweizimmerwohnung kostet oft mehr als 1.500 Euro Kaltmiete. Für viele Menschen ist das schlicht nicht machbar – selbst bei einem soliden Einkommen.
Warum sind die Mieten in München so hoch?
Die Ursachen für die exorbitanten Mietpreise in München sind vielschichtig. Eine zentrale Rolle spielt der hohe Wohnraumbedarf bei gleichzeitig begrenztem Angebot. Als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort zieht die Stadt jährlich Zehntausende neue Bewohnerinnen und Bewohner an. Der Neubau von Wohnungen kann mit diesem Wachstum jedoch nicht Schritt halten.
Ein weiterer Faktor ist die zunehmende Attraktivität von Immobilien als Kapitalanlage. Gerade in München investieren nationale und internationale Anleger in Wohnraum, was die Preise weiter in die Höhe treibt. Hinzu kommt die restriktive Flächenpolitik: Bauland ist in München rar, und die bestehenden Bebauungspläne werden nur langsam erweitert.
Die Rolle der Politik: Die Ampel in der Kritik
Die Wohnungspolitik der aktuellen Ampel-Regierung steht dabei unter starker Beobachtung. Zwar hat die Koalition einige Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie das sogenannte "Bürgermietmodell" und die Erhöhung des Wohngeldes. Doch Kritiker bemängeln, dass diese Maßnahmen an den grundsätzlichen Problemen vorbeigehen.
Ein zentrales Ziel der Ampel war der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr – ein Ziel, das 2024 klar verfehlt wurde. Insbesondere in Ballungsräumen wie München kommt der Neubau zu langsam voran. Schuld daran sind lange Genehmigungsverfahren, hohe Baukosten und der Mangel an Fachkräften in der Bauindustrie.
Darüber hinaus wurden bisher keine effektiven Regelungen eingeführt, um die Spekulation mit Wohnraum einzudämmen. "Wir brauchen endlich strengere Regeln für Investoren, die Wohnungen nur als Wertanlage sehen und sie leer stehen lassen", fordert Ulrich Römer, ein Sprecher des Mietervereins München.
Supermärkte als Teil der Lösung?
Eine ungewöhnliche Idee, um das Wohnraumproblem zu lindern, kommt von Stadtplanern und Architekten: Supermärkte. In einer Stadt wie München gibt es viele ebenerdige Supermärkte mit großen Parkplätzen – Flächen, die ungenutzt bleiben. Könnte man diese Flächen nicht besser nutzen?
Tatsächlich wird in einigen deutschen Städten bereits experimentiert. Neue Supermarktgebäude werden so geplant, dass oberhalb der Verkaufsflächen Wohnraum entsteht. Diese Kombination könnte gleich mehrere Probleme auf einmal lösen: Die Fläche würde effizienter genutzt, und gleichzeitig würden neue Wohnungen geschaffen. Ein Vorzeigeprojekt in Hamburg zeigt, dass solche Konzepte funktionieren können.
Auch in München wird die Idee diskutiert. Die Stadtregierung prüft aktuell, wie solche Projekte gefördert werden könnten. "Es ist eine spannende Idee, die durchaus Potenzial hat", sagt Stadtplanerin Maria Schöllhorn. "Aber sie wird allein nicht reichen. Wir brauchen eine umfassende Strategie, die sowohl den Neubau als auch den Schutz bestehender Mieter in den Fokus rückt."
Der Weg aus der Misere
Für Pilar Dieminger kommt diese Entwicklung zu spät. Sie lebt vorerst wieder bei ihren Eltern und pendelt täglich eine Stunde zu ihrem Arbeitsplatz. Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf. "Ich wünsche mir, dass wir eine Stadt schaffen, in der auch normale Menschen eine Chance haben, zu leben", sagt sie.
Die Wohnungsnot in München ist eine Herausforderung, die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Lösungen erfordert. Es bleibt abzuwarten, ob die Ampel-Regierung und lokale Initiativen genug Bewegung in die Sache bringen – und ob ungewöhnliche Ideen wie Wohnungen über Supermärkten dazu beitragen können, die Krise zu entschärfen.
Quelle: ZDF
Das könnte Sie auch interessieren: