Die älteste heute lebende Person in Deutschland ist Charlotte Kretschmann, die 113 Jahre alt ist. Sie geht philosophisch mit ihrem Alter um: "Ich habe es mir nicht ausgesucht. Nichts hängt von mir ab. Jeder hat eine Chance, den nächsten Tag zu überstehen, und er muss nichts dafür tun".
Gleichzeitig ist die Frau stolz darauf, dass sie sich für ihr Alter eine gute körperliche Verfassung und ein gutes Gedächtnis bewahrt hat: "Ich bin nicht bettlägerig. Ich bin nicht bettlägerig und mein Kopf ist zu 150 Prozent in Ordnung", sagt sie mit einem Lächeln.
Charlotte Kretschmann, 113, lebt seit einigen Jahren in einem Pflegeheim im baden-württembergischen Kirchheim Unter-Teck. Die Frau hat ihren Mann und ihre Tochter beerdigt, worunter sie besonders gelitten hat.
"Der Herrgott hat es schlecht gemeint. Am Ende des Lebens sollte sich ein Mensch eigentlich gut fühlen, aber es wird immer schlimmer", klagt Charlotte. Manchmal träumt sie von ihren Angehörigen und wacht dann mit Tränen und Traurigkeit auf.
Einige Jahre lang kam die Frau selbstständig zu Hause zurecht, doch nach einer Hirnblutung beschloss sie, in ein Altersheim zu ziehen, wo sie bei Bedarf professionelle Unterstützung und medizinische Betreuung erhält.
Charlotte Kretschmann hat in ihrem Leben schon viel erlebt.
"Ein Historiker hat mich kürzlich gebeten, über mein Leben zu sprechen. Und wer kann mir mehr aus eigener Erfahrung erzählen?"
Geboren am 3. Dezember 1909 in Breslau, damals Teil des Deutschen Reiches, überlebte Charlotte Kretschmann zwei Weltkriege und Wirtschaftskrisen, sie bedauerte die Teilung Deutschlands und erlebte dann die Wiedervereinigung, sah neues Geld kommen und gehen.
"Ich habe alle überlebt: sowohl Queen Elizabeth als auch Papst Benedikt. Und selbst das Coronavirus hat ihr Leben nicht auf den Kopf gestellt. Letzten Sommer erkrankte Charlotte und kam in Quarantäne: "Ich habe einfach niemanden gesehen, niemanden gehört und mit niemandem gesprochen. Ich saß 14 Tage lang am Fenster und beobachtete jedes Blatt. Das möchte ich nicht noch einmal durchmachen."
Wie hat Charlotte es also geschafft, wach zu bleiben? "Durch Sport und Bewegung, sogar im Winter. Und natürlich dank meiner glücklichen Kindheit", erzählt die lebensfrohe Frau.
Sie erinnert sich, dass sie alles hatte, was sie wollte, dass ihre Eltern ihr alles gaben, was sie brauchte: Ihre Mutter nähte ihr schöne Kleider nach der neuesten Mode, sie wurde hervorragend ernährt und gepflegt, ihre fürsorglichen Lehrer kümmerten sich um sie.
Heute ist es der 113-Jährigen besonders wichtig, sich um ihr Aussehen zu kümmern. Alle zwei Wochen, sagt sie, geht sie zum Friseur und lässt sich maniküren. "Ich lackiere meine Nägel mit rotem Nagellack und trage gerne schicke Blusen", gesteht sie.
Im Moment stört die langhaarige Deutsche nur der Rollstuhl, den sie nach einem Sturz mit Knieverletzung benutzen muss. Ihr Ziel ist es jedoch, mit Hilfe einer Gehhilfe wieder laufen zu können, weshalb sie regelmäßig mit einem Physiotherapeuten trainiert.
Charlotte sieht jeden Abend im Pflegeheim fern: "Ich bin über alles informiert, was vor sich geht. Sie ist besorgt über den Krieg, den Russland in der Ukraine entfesselt hat. "Ich will keinen Dritten Weltkrieg. Es ist gut, dass sich alle gegen Putin zusammengeschlossen haben. Er soll nicht denken, dass er machen kann, was er will", resümiert die älteste deutsche Einwohnerin.
Heute besteht Charlotte Kretschmanns Alltag vor allem aus Sitzungen bei ihrer Physiotherapeutin und Treffen mit ihren Verwandten und Enkelkindern.
Außerdem lässt sie den Rest der Welt an ihrem Leben teilhaben - dank ihres Instagram-Accounts. Derzeit hat sie fast 9.000 Follower. Mit ihnen teilt sie regelmäßig Schnappschüsse aus ihrem Leben.
Unterstützt wird sie dabei von ihrem Enkel Peter Baur, 45. Er sagt, seine Großmutter sei geistig viel jünger als das Alter in ihrem Ausweis. Charlotte Kretschmann selbst denkt nicht über den Tod nach: "Es hat keinen Sinn - am Ende des Tages wird es einfach passieren und nichts hängt von mir ab. Aber ich habe ja noch Zeit."
Quelle: dw.com
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