Annette ist 49 Jahre alt und steht seit Kurzem vor einem radikalen Einschnitt in ihrem Leben. Nach mehreren Jahren in einer Wohnung wurde sie von ihrem Vermieter aufgefordert, diese zu verlassen – mit sofortiger Wirkung. Der Grund: Es gab keinen schriftlichen Mietvertrag. Nun bleibt der alleinstehenden Frau keine andere Wahl, als in einer Unterkunft zu leben.
„Ich dachte, ich hätte ein sicheres Dach über dem Kopf“, sagt Annette leise. Die Wohnung hatte sie über persönliche Kontakte gefunden. Die Miete zahlte sie regelmäßig und zuverlässig in bar, Absprachen wurden mündlich getroffen. Über lange Zeit schien das Arrangement für beide Seiten zu funktionieren. Doch rechtlich war Annette kaum abgesichert.
Als der Vermieter ihr schließlich mitteilte, dass sie ausziehen müsse, hatte sie keine Möglichkeit, sich auf Mieterschutz oder Kündigungsfristen zu berufen. Ohne Vertrag fehlte die rechtliche Grundlage, um sich zu wehren. Innerhalb weniger Tage musste sie ihre Sachen packen.
Die Wohnungssuche gestaltete sich schwierig. Steigende Mieten, fehlende Rücklagen und der Zeitdruck machten es Annette unmöglich, kurzfristig eine neue Bleibe zu finden. Unterstützung von Freunden oder Familie war nur begrenzt vorhanden. Schließlich wandte sie sich an das Sozialamt, das ihr einen Platz in einer Unterkunft vermittelte.
Der Schritt in eine solche Einrichtung fällt Annette schwer. „Man verliert ein Stück Würde“, sagt sie. Privatsphäre gebe es kaum, vieles müsse man sich mit fremden Menschen teilen. Dennoch ist sie dankbar, nicht auf der Straße zu stehen.
Der Fall von Annette zeigt, wie schnell Menschen in Wohnungsnot geraten können – selbst dann, wenn sie über Jahre hinweg ihre Miete bezahlen. Fachstellen weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig schriftliche Mietverträge sind, um Rechte und Pflichten klar zu regeln.
Für Annette beginnt nun ein neuer, unsicherer Lebensabschnitt. Ihr Ziel ist es, so schnell wie möglich wieder eine eigene Wohnung zu finden. „Ich will einfach wieder ankommen“, sagt sie. Bis dahin bleibt die Unterkunft ein notwendiger, aber schmerzhafter Übergang.