Eines Tages stieß Anna auf ein großes Problem. Ihr geliebtes Fahrrad, das einzige Transportmittel, das sie besaß, brach zusammen. Ohne das Fahrrad konnte sie weder zur Schule noch zur Arbeit gehen, was ihre Familie noch weiter in Not gebracht hätte. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an ihre beste Freundin Lisa, die aus einer wohlhabenderen Familie stammte.
„Lisa, ich brauche dringend 400 Euro, um mein Fahrrad reparieren zu lassen“, bat Anna. Lisa zögerte kurz, bevor sie antwortete: „Natürlich helfe ich dir, Anna, aber ich kann dir das Geld nicht einfach so geben. Ich werde es dir leihen, aber du musst es mir mit Zinsen zurückzahlen. Sagen wir, 10 Prozent.“
Anna war überrascht über diese Forderung. Sie hatte gehofft, dass ihre Freundschaft ausreichen würde, um Lisa zu überzeugen, ihr ohne Bedingungen zu helfen. Doch die Not war groß, und Anna sah keinen anderen Ausweg. Also stimmte sie zu und nahm das Geld an.
Mit den 400 Euro ließ Anna ihr Fahrrad reparieren und konnte bald wieder ihrer Arbeit nachgehen. Sie arbeitete hart und sparte jeden Cent, den sie konnte, um ihre Schulden bei Lisa zu begleichen. Doch die Zinsen machten es schwerer als gedacht. Aus den 400 Euro wurden bald 440 Euro, und obwohl Anna tapfer kämpfte, schien der Schuldenberg nur langsam zu schrumpfen.
Eines Abends, nachdem sie wieder einmal Überstunden gemacht hatte, um mehr Geld zu verdienen, setzte sich Anna erschöpft und nachdenklich auf eine Bank im Park. Sie fragte sich, ob Lisa ihre finanzielle Lage wirklich verstand und ob ihre Freundschaft durch Geld belastet werden sollte. Gleichzeitig verspürte sie einen Anflug von Entschlossenheit. Sie wollte beweisen, dass sie stark und unabhängig war, und dass sie es schaffen konnte, ohne die Hilfe ihrer Freundin.
Mit der Zeit lernte Anna, ihre Finanzen besser zu verwalten. Sie entwickelte ein System, um ihre Ausgaben zu verfolgen und unnötige Kosten zu vermeiden. Langsam, aber sicher konnte sie die Schulden bei Lisa zurückzahlen. Doch das Vertrauen zwischen den beiden Freundinnen war nicht mehr dasselbe. Anna fühlte sich verraten, und Lisa begann zu erkennen, dass ihre Forderung nach Zinsen die Freundschaft belastet hatte.
Als Anna schließlich die letzten 40 Euro zurückzahlte, fühlte sie eine Mischung aus Erleichterung und Traurigkeit. Sie hatte eine wertvolle Lektion gelernt: Freundschaft und Geld sollten nicht miteinander vermischt werden. Lisa, auf der anderen Seite, begann ihre Entscheidung zu bereuen. Sie erkannte, dass sie ihre Freundin in einer Notlage hätte unterstützen sollen, ohne Bedingungen zu stellen.
Die Geschichte von Anna und Lisa verbreitete sich schnell im Dorf. Sie wurde zu einer Lehre für viele andere, die mit ähnlichen Situationen konfrontiert waren. Anna hatte bewiesen, dass man auch in schwierigen Zeiten stark und unabhängig bleiben kann, und Lisa lernte, dass wahre Freundschaft unbezahlbar ist und nicht durch materielle Dinge gemessen werden sollte.
Am Ende standen Anna und Lisa wieder nebeneinander, aber diesmal mit einer tieferen Einsicht und einem festeren Verständnis dafür, was es bedeutet, eine echte Freundin zu sein.
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