Samira ist 30 Jahre alt, gut ausgebildet und motiviert. Vor zwei Jahren hat sie ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. Eigentlich sollte damit der Weg in ein stabiles Berufsleben beginnen. Doch statt eines festen Jobs reiht sich für sie bis heute eine Bewerbung an die nächste – meist ohne Antwort, manchmal mit einer höflichen Absage. Samiras Geschichte steht exemplarisch für viele junge Akademikerinnen und Akademiker, die trotz Studienabschluss keinen Einstieg in den Arbeitsmarkt finden.
Schon während ihres Studiums galt Samira als engagiert. Sie belegte Zusatzkurse, absolvierte Praktika und schloss ihr Studium mit guten Noten ab. „Man sagt einem immer, mit einem Abschluss stehen einem alle Türen offen“, erzählt sie. Die Realität nach der Universität empfand sie jedoch als ernüchternd. Viele Stellenanzeigen verlangten mehrere Jahre Berufserfahrung, selbst für Einstiegspositionen. Andere Angebote waren befristet, schlecht bezahlt oder weit entfernt von ihrem Qualifikationsniveau.
Mit jedem weiteren Monat ohne Job wuchs der Druck. Nicht nur finanziell, sondern auch psychisch. Samira lebt noch immer in einer kleinen Wohnung, die sie sich nur leisten kann, weil sie zeitweise von Ersparnissen und Unterstützung aus der Familie lebt. „Mit 30 hatte ich mir mein Leben anders vorgestellt“, sagt sie. Während Freunde Karriere machen, Familien gründen oder Eigentum kaufen, fühlt sie sich, als würde sie auf der Stelle treten.
Besonders belastend ist für Samira das Gefühl, sich ständig rechtfertigen zu müssen. In Gesprächen wird ihr Studium infrage gestellt, manchmal sogar ihr persönlicher Einsatz. Dabei ist der Arbeitsmarkt in vielen Branchen angespannt. Akademische Abschlüsse sind heute weiter verbreitet, während sichere Einstiegsstellen nicht im gleichen Maß gewachsen sind. Hinzu kommen wirtschaftliche Unsicherheiten, befristete Verträge und ein hoher Konkurrenzdruck.
Samira versucht, aktiv zu bleiben. Sie besucht Weiterbildungen, arbeitet projektweise und engagiert sich ehrenamtlich, um Lücken im Lebenslauf zu vermeiden. Dennoch bleibt die Angst, langfristig abgehängt zu werden. „Man hat das Gefühl, je länger man keinen Job findet, desto schwieriger wird es“, sagt sie. Diese Sorge teilen viele Betroffene, denn Personaler bewerten längere Phasen der Erwerbslosigkeit oft kritisch.
Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass individuelle Geschichten wie die von Samira kein persönliches Versagen widerspiegeln, sondern strukturelle Probleme. Der Übergang vom Studium in den Beruf ist für viele zu wenig begleitet. Gleichzeitig passen Ausbildungsinhalte nicht immer zu den konkreten Anforderungen des Arbeitsmarktes. Gefordert sind daher nicht nur mehr Beratungsangebote, sondern auch realistischere Erwartungen an Berufseinsteiger.
Samira gibt die Hoffnung dennoch nicht auf. Sie wünscht sich vor allem eine faire Chance, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. „Ich will arbeiten, Verantwortung übernehmen und meinen Platz finden“, sagt sie. Ihre Geschichte zeigt, dass ein Studienabschluss längst keine Jobgarantie mehr ist – und dass hinter nüchternen Arbeitslosenstatistiken echte Lebenswege stehen.
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